“I Want To Crawl In The Mud With You” singt EN ESCH in der ersten Textzeile von “Candy Cane” - “I Wanna Spill My Blood On You” und bliebt dabei in der Dur- Kathedrale, die dem Song trotz gorigen Lyrics den positiven Touch gibt. Im Background rollt die dreckig-elektrisch-verzerrte Leadgitarre und kümmert sich einen Dreck darum, was im hörbaren Vordergrund abläuft. Zwei Minuten und einundreissig Sekunden: Der vokalistische Höhepunkt. Die Stimme überschlägt sich und schraubt sich in eine einzigartige und selten gehörte extatische Hysterie.
Rockige Klänge auch in “Die Ballade vom ertrunkenen Mädchen”. Böser gothischer Wave- Rock, der von der - sich gepflegt zurückhaltenden - tollen Orgel getragen wird. Die in Hamburg geborene MONA MUR besticht mit lyrischem - in den Chanson abdriftenden - Gesang. Der sich im Titelsong “120 Tage” fortsetzt. “Wenn Du fortgehst, bleibt es dunkel - Dezember.” Die düstere Worte erfahren durch die intensive Interpretation eine mit dem industriellen Klangcharakter einhergehenden exzellente Kompression. Aussergewöhnlicher Cold Gothic-Wave-Style, der einen packt. “The Thin Red Line” und “Visions & Lies” warten wieder mit schweren Gothic-Rock-Elementen auf, wobei sich “Visions” zum doomigen hypnotischen Banger mit psychedelischen Electro-Klängen entwickelt.
Der Überhammer der CD ist “Eintagsfliegen”, das beginnt, als ob Robbie Krieger von den Doors seine Orgel ausgepackt hat, und wenn Drums und Leadgitarre Fahrt aufnehmen, ist MONA MUR wieder mit von der Partie mit dunklen bösen chansonierten Vocals. Sie flüstert den Text, sie hebt die Stimme an, ich fühle direkt, wie sie die Augenbraue hebt und ihre Botschaft wieder ironisch-arrogant dreinschauend ins Mikro haucht, dann flattert sie davon zu einem kurzen kehligen Schrei - EN ESCH ist immer noch dabei mit voll dröhnendem Kompaktsound. Der finale Satz “This Is My Rifle - This Is My Gun - One Is For Killing - The Other Is For Fun” beendet das modern-wavige Soundvergnügen.
Balladesk und mainstreamig das folgende gar nicht schlüpfrige “Snake”, bei dem EN ESCH zwischen den Strophen mit einem gut akzentuierten Lick zeigt, dass er sich seine Gitarre nicht umsonst gekauft hat. Fast schleppend der Groove - aber nicht weniger unterhaltsam, denn dramaturgisch wächst der Song gegen Ende zur Hymne an.
Harte Electro-Beats hätte ich mir beim Titel “Mon Amour” auch nicht unbedingt erwartet. Meine schlimmste Befürchtung wird gleich im ersten Takt zerstreut. Rhythmus und exzellente Schlagzeug-Arbeit/Programmierung sorgen mit MONA MUR für kirmeshaften Schunkel-Charakter. Wenn das Schlagwort “Chanson brutales” je zu einem Song gepasst hätte, dass ist es dieser hier! Ein Wahnsinns-Stück, das mit Sicherheit auch Bestandteil in meinem DJ-Set werden wird.
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